Die silberglänzende Bluse umspielte sanft ihre Schultern und in der schwarzen Fensterfront spiegelte sich das Licht der Kerzen, während sie sehnsüchtig auf ihn wartete. Fünf Tage war er unterwegs und heute würde sie ihn endlich wieder in ihre Arme schließen. Der erlösende Klingelton setzte ihrer Ungeduld ein Ende und sie spürte ein erregendes Kribbeln auf ihrer Haut. Im Bildschirm der Sprechanlage erschien ein Mann in einem roten Nikolauskostüm und der dichte weiße Bart ließ außer den Augen nichts erkennen. „Oh, Steffen“, lächelte Kim und drückte auf den Öffner, bevor sie in der offenen Küche verschwand, um den eiskalten, perlenden Champagner zu holen. „Bin gleich da, Schatz!“, rief sie aus der Küche, als sie das leise Schlagen der Tür und seine Schritte im Flur vernahm. Eine Minute später stand sie mit den Gläsern im Wohnzimmer.
„Steffen?“ Keine Antwort. Suchend blickte sie sich um, als ihr Handy mit einem Piepen den Eingang einer neuen Nachricht signalisierte. „Steffen?“, rief Kim erneut, während sie auf den Tisch zuging. Beinahe hätte sie die Gläser fallen lassen, als sie die wenigen Worte las, die auf der Oberfläche des Displays leuchteten. 06.12.2020, 17:59 Uhr. Es tut mir leid, der Zug hat Verspätung, es wird eine Stunde später. Exakt in diesem Moment begann ihre Uhr sechsmal zu schlagen. Tausende Eiskristalle krochen wie spitze Nadeln ihre Wirbelsäule empor, als sie die Nikolausmütze im Flur entdeckte. Was zur Hölle?! 
Dann sah sie im Augenwinkel die blitzende Klinge des Messers, auf der die Lichter unzähliger Kerzen surreal funkelten. Mit angstverzerrten Augen ließ Kim die Gläser fallen, die auf den nackten Fliesen in tausende glitzernde Scherben zerbarsten. Sie wollte schreien, doch ihre Stimme versagte kläglich. Regungslos starrte sie auf den Mann mit dem Messer, der jetzt aus dem Schatten der Vitrine hervortrat und langsam auf sie zukam. Doch dann riss sie sich aus ihrer Lethargie und stolperte zur Tür. Im gleichen Moment packte sie ein starker Arm und drehte sie um. „Alles ok?“, fragte Steffen und zog sie liebevoll zu sich heran. Im Schein der Nachttischlampe blickte Kim in die Augen ihres Freundes, der neben ihr in ihren aufgewühlten Bettlaken lag.
Back to Top