Der Geruch von frischem Marmorkuchen strömte durchs Haus. Maximilian liebte Marmorkuchen. Als würde er ihn magisch anziehen, machte sich Max auf den Weg zur Küche. Schnüffelnd schob er die Tür einen Spalt auf und lugte hinein. Seine große Schwester stand lauthals singend mit dem Rücken zu ihm an der Spüle und wippte mit der Hüfte im Takt zu Johannes Oerdings ‚An guten Tagen‘. Auf der Arbeitsplatte neben der Tür stand der noch dampfende Kuchen. Hmmm! Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. 
»Ich MUSS da einfach ein Stück probieren! Nur einen kleinen Krümel. Das bekommt Hanna doch gar nicht mit«, dachte er, schob sich leise durch die Tür und machte sich am Kuchen zu schaffen.
»...Schau‘ ich nicht links und rechts, vielleicht nach vorn«, trällerte sie, »...doch AAAH!«, brüllte seine Schwester plötzlich. »MAX!!! Warum erschreckst du mich so?!« Schnell steckte er den Krümel, den er gerade abgepopelt hatte, in den Mund und drehte sich mit einem unschuldigen Blick zu ihr um. 
»Das wollte ich nicht. Tut mir leid. Dein Kuchen riecht sooo lecker!« 
Sie kniff die Augen zusammen und kam näher. 
»Und? Schmeckt er auch genauso lecker?« 
Streng hob sie die Augenbrauen und musterte ihn prüfend. 
»Ich... äh...«, stammelte er. 
»Du hast da Krümel am Mundwinkel«, klärte sie ihn auf und grinste schief. 
»Du bist also nicht sauer?«
»Nein. Den habe ich extra für uns gebacken. Arne hat vorhin schon angerufen und gefragt, ob wir heute etwas zusammen unternehmen wollen. Ich dachte, wir machen einfach ein Picknick. Mama und Papa müssen arbeiten und wie könnte man die Ferien schöner beginnen lassen, als mit einem Kuchen-Picknick am Moorbach?«
Maximilians Augen leuchteten. »Super Idee! Wann kommt Arne?«
»Er müsste gleich da sein.«
»Dann hole ich schnell mein Fischernetz. Hast du schon die Picknickdecke eingepackt?«
»Nein, die kannst du auch gleich mitbringen. Den Rest mache ich. Wir sehen uns dann gleich bei den Rädern.«
Eine Stunde später saßen die Geschwister mit ihrem besten Freund Arne auf einer sonnigen Wiese im Wald und machten sich über den Kuchen her. Der Moorbach plätscherte leise, die Vögel zwitscherten und die Bienen brummten um sie herum. 
»Warum heißt der Moorbach eigentlich Moorbach?«, überlegte Maximilian laut.
»Na, weil er im großen Moor endet. Wusstest du das nicht?« Hanna sah ihn fragend an, doch Maximilian schüttelte nur den Kopf und steckte sich ein weiteres großes Stück Kuchen in den Mund. 
»Weißt du dann auch nicht, dass es dort Moorgeister gibt?«, fragte Arne. Max hörte mit ausgebeulter Backe auf zu kauen und hielt die Luft an.
»So ein Quatsch!«, prustete Hanna los, "Das glaubst du doch selbst nicht!" 

Doch Max war es auf einmal nicht mehr nach Lachen zumute.
»Und ob! Mein Nachbar hat mir erzählt, dass dort letztes Jahr ein Mann verschwunden ist. Und als seine Frau zum Moor kam, um Blumen für ihn nieder zu legen, hat sie gesehen, wie die Geister im Nebel über der Wasseroberfläche im Kreis um den Geist ihres Mannes herum getanzt haben.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause. »Zum Glück haben die Geister sie nicht gesehen. Wer weiß, ob sie sonst noch leben würde!«, fügte er flüsternd hinzu und blickte sich vorsichtig nach allen Seiten um.
Max sah von Hanna zu Arne und wieder zurück zu seiner Schwester. Doch als er in ihren Gesichtern kein verstecktes Grinsen erkennen konnte, machte sich das mulmige Gefühl in seinem ganzen Körper breit. War das nur ein Gefühl? Oder waren auch plötzlich alle Vögel und Bienen verstummt? Der Wald war mit einem Mal ungewöhnlich ruhig.
»Und dieser Bach endet wirklich im Moor?«, fragte er und sah sich unbehaglich um.
»Jep!«, antwortete Hanna und nickte zur Bestätigung.
Da raschelte es plötzlich an der Böschung und ein paar Gräser bewegten sich. Ängstlich starrten sie zum Bach. Dann war alles wieder still. 
»Oh nein! Glaubt ihr, die Moorgeister haben uns gehört?«, wisperte Maximilian. Aus dem Gesicht seines Freundes war jegliche Farbe gewichen. Man hätte meinen können, er sei selbst ein Geist.
Die drei rutschten enger zusammen und starrten wie gebannt zum Bach. Hanna bemerkte die Nebelschwaden als Erste. In einiger Entfernung waberten sie dicht über dem Wasser. Tanzten sie etwa?!
»S-s-s-sind das die Geister?«, hauchte Hanna und zeigte auf die Stelle im Wald.
Arne bekam keinen Ton mehr heraus. Mit angstgeweiteten Augen starrte er auf den Dunstschleier.
Da schaltete sich Max‘ Verstand wieder ein. »So ein Blödsinn!«, sagte er laut. »Hört Euch doch mal an! Jedes Kind weiß, dass es keine Geister gibt!«
»Nicht so laut!«, zischte Hanna.
»M-M-M-Max hat Recht. Das war be-be-bestimmt nur eine M-M-M-Maus und ga-ga-ganz gewöhnlicher Nebel«, versuchte Arne seine Angst zu überspielen. 
Plötzlich raschelte es erneut und wieder wackelten die Gräser. Hanna entfuhr ein Schrei. Arne schlug ihr die Hand vor den Mund. »Pssst!«
Da fasste sich Max ein Herz, schnappte seinen Kescher und ging selbstsicher in die Richtung, in der sich die Gräser zuletzt bewegt hatten. »Oder es ist nur ein Frosch. Und den fange ich jetzt!« Als er die Stelle erreicht hatte, fing es plötzlich rechts von ihm an, zu rascheln. Ohne zu zögern schlug er das Netz über die Gräser. 
»Ich hab‘ ihn!«, rief er siegessicher.
Zögernd kamen Arne und Hanna herbei. Während seine Schwester noch immer die Umgebung im Blick behielt, untersuchte ihr Freund den Netzinhalt.
»Da warst du wohl zu langsam«, schlussfolgerte Arne, nachdem er nichts darin entdecken konnte. 
»Oder es waren doch die Geister«, überlegte Hanna laut.
Die drei sahen sich verunsichert an. Dann fand Arne seinen Mut endlich wieder. »Gib mal dein Netz her. Ich hab‘ den Frosch gleich!«
»Aber den wollte ich jetzt fangen«, erwiderte Maximilian.
»So fängst du ihn aber nicht. Das musst du anders machen. Ich zeig’s dir. Los, gib mir mal das Netz.« 
Gekränkt warf Max seinem Freund das Netz vor die Füße und machte auf dem Absatz kehrt. Wütend kickte er einen Tannenzapfen ins Wasser und ließ die beiden verwundert stehen. 
»He, Max! Was ist denn los? Bleib doch hier!«, rief ihm Hanna hinterher, aber das interessierte ihn nicht. Zornig ging er ein Stück an der Böschung entlang. Immer wussten die anderen alles besser! Nichts machte er richtig! Platsch! Ein zweiter Zapfen fand den Weg ins Wasser. Wütend stapfte Max weiter bis zu einer kleinen Baumgruppe. Unter einer alten Eiche fand er plötzlich ein schönes Rindenstück. Es war groß und robust. Perfekt für ein Miniaturboot. Im Nu war all sein Groll verflogen. 
Flugs sammelte er ein paar weitere Hölzer und pflückte auf der Wiese lange, stabile Gräser. Damit setzte er sich unter die Eiche und begann, alles geschickt aneinanderzubinden. Schon nach kurzer Zeit war ein hübsches Boot entstanden. Zuletzt verknotete er noch sechs Halme miteinander, befestigte diese wie eine Schnur an seinem kleinen Schiff und ging zum Bach. Vorsichtig ließ er es ins Wasser und freute sich darüber, wie gut es schwamm.
»Was hast du da?«, fragte auf einmal seine Schwester. Max hatte die beiden gar nicht kommen hören, so vertieft war er ins Bauen gewesen.
»Ich habe ein Boot gebaut«, verkündete er stolz. Hanna und Arne sahen begeistert zu, wie es in der Strömung tanzte, während Max es an der selbstgebastelten Schnur festhielt. 
»Kann ich es auch mal halten?«, bat ihn Hanna.
»Klar.« Er streckte ihr die Leine entgegen. Doch genau in dem Moment, als sie danach griff, löste sich einer der Knoten, und das Boot riss ab. Schnell wurde es mit der Strömung davongetragen. Max rannte hinterher. Doch vor der nächsten Biegung versperrten ihm die dichten Büsche den Weg, so dass er nur noch zusehen konnte, wie es hinter der Kurve verschwand. 
»Schade um das Boot, Max«, versuchte Arne ihn zu trösten. Doch im selben Moment fügte er hinzu: »Hättest du die Knoten fester gemacht, wäre es jetzt nicht weg.« 
Wieder eine Belehrung! Max drehte sich weg und ging zurück zu seiner Eiche. Er wollte alleine sein. Eine Träne suchte sich ihren Weg über seine Wange. 
So saß er einige Zeit an den Baum gelehnt und hing gedanklich seinem Boot nach. Hanna und Arne waren inzwischen bei ihrer alten Stelle angelangt und versuchten wieder, einen Frosch zu fangen.
Plötzlich holte ein eigenartiges Rauschen Max aus seinen Gedanken zurück an den Bach. Er richtete sich auf und horchte genauer. Was war das? Eben hatte es doch noch anders geklungen. Leise schlich er sich an die Böschung heran. Das Wasser schien zu dampfen, obwohl es im Schatten lag und es heute nicht übertrieben heiß war. Außerdem bewegte es sich unnatürlich. Max begriff zwar nicht, was daran so komisch war, aber irgendetwas stimmte nicht. Der Nebel über dem Wasser wurde immer dichter. 
Die Moorgeister!!! Vor Angst konnte er sich kaum rühren. Aus den Augenwinkeln nahm er in weiter Entfernung Arne und Hanna war. Sie merkten nichts und alberten weiter herum. Panisch jagte sein Blick wieder zum Wasser. Er war vollkommen gelähmt. Die Schwaden wurden größer und größer.
Jetzt kommen sie und holen mich! Ich muss die anderen warnen! Hilfe! Doch aus Max‘ Kehle kam nicht der leiseste Ton. Ihm wurde heiß und kalt zugleich. Sein Herz schlug bis zum Hals. Ich muss hier weg!
Da hörte das eigenartige Rauschen mit einem Mal auf.
Was geht hier vor?! Wie in einem Strudel bewegte sich nun der Nebel im Kreis. Er wurde schmäler und zugleich höher. Angsterfüllt sah Max an der Nebelsäule auf. Gleich wird mich der Geist packen. Er schloss seine Augen und hätte sich am liebsten hinter sich selbst versteckt.
Doch nichts geschah. Vorsichtig öffnete er wieder die Augen. Ganz langsam wurde die Nebelsäule schwächer. Löste sie sich etwa auf? Das Plätschern des Bachs, das Summen der Bienen und auch das Vogelgezwitscher – alles klang, als wäre nie etwas gewesen. Hatte er sich in ein verrücktes Hirngespinst reingesteigert? Er stand auf und sah hinüber zur Wiese. Arne und Hanna lagen auf der Decke, sahen in den Himmel und plauderten vergnügt. Und der Moorgeist? Seine Augen huschten zurück zum Bach. Weg! Der Nebel hatte sich komplett aufgelöst. 
Aber da war doch noch etwas. Sein Boot! Da tanzte doch SEIN Boot auf den Wellen! Nein, das war unmöglich! Er hatte doch selbst gesehen, wie es weggespült wurde! Und nun war es an einer Wurzel festgebunden?
Da hörte er ein leises Kichern. Spielten ihm Hanna und Arne einen Streich? Max lugte zur Wiese. Nein. Die lagen noch immer auf der Decke. Wieder ein leises Kichern. Irgendjemand nahm ihn hier doch kräftig auf den Arm! 
»Hallo?«, fragte Maximilian vorsichtig.
»Hallo?«, fragte es vom Wasser zurück. Und das Kichern wurde ein bisschen lauter.
Da! Da hatte sich doch gerade etwas bewegt! Max kniff die Augen zusammen und stutzte. Auf einem bemoosten Baumstumpf auf der anderen Seite des Bachs saß ein kleines Wesen und strahlte ihn mit schiefgelegtem Kopf an.
»Ha! Er hat mich entdeckt!«
Max schüttelte den Kopf. Das kann nicht sein. Jetzt werde ich langsam verrückt! Er rieb sich kräftig übers Gesicht, doch auch danach saß der kleine Kerl noch da. Er hatte strahlend blaue, ehrliche Augen, die tief in Max hinein zu schauen schienen. Eine dunkle Lockenmähne hing ihm wild ins Gesicht. Seine grüne Hose hatte Flecken und sein brauner Pulli ein paar kleine Löcher.
»Wer bist du? Bist Du etwa ein Moorgeist?«, fragte Max.
»Ich bitte dich! Ich bin doch kein Moorgeist! Mit diesen übellaunigen Gesellen will ich nichts zu tun haben! Ich bin ein Kobold und heiße Hops. Und du?«
»Ich heiße Maximilian, aber meine Freunde nennen mich Max. Wow, und du bist tatsächlich ein echter Kobold?«
»Hab‘ noch nie nen unechten gesehen...«, überlegte Hops ernsthaft. 
»Und was bist du? Eins weiß ich mit Sicherheit: Ein Moorgeist bist du nicht.«
Max lachte, auch wenn er sich inzwischen fast sicher war, dass es die Moorgeister tatsächlich gab.
»Ich bin ein Mensch«, erklärte er und fragte sich, ob dieser Kobold wirklich noch nie Menschen gesehen hatte. Nun war es der Kobold, der lauthals loslachte. »Du bist doch kein Mensch! Meine Mama sagt immer: ‚Hops, sei vorsichtig mit den Menschen! Die meisten sind böse und gefährlich.‘ Du bist aber nett. Folglich kannst du kein Mensch sein. Was bist du also?« 
Max musterte den Kobold. Der kleine Kerl gefiel ihm. Und er schien tatsächlich auf eine andere Antwort zu warten.
»Ich bin ein Mensch« wiederholte er also nochmals und lächelte Hops dabei ehrlich an.
Der Kobold zog skeptisch eine Augenbraue hoch.
»Na gut, wenn du darauf bestehst... dann bist du eben ein Mensch. Von mir aus.« 
Maximilian schmunzelte. Diese Antwort passte wohl einfach nicht in Hops' Menschenbild.
Mit nachdenklicher Miene fragte er: "Mit Menschen hattest du wohl noch nichts zu tun. Aber die Moorgeister, die kennst du?" 
Der kleine Kobold wog den Kopf hin und her und überlegte. "Naja, kennen ist zu viel gesagt. Ich gehe ihnen lieber aus dem Weg. Genau genommen... bin ich auch noch nie einem Moorgeist begegnet. Meine Familie bisher auch nicht. Aber darüber sind wir auch alle sehr froh, denn man erzählt sich allerhand Geschichten über sie. Sie sollen sehr übellaunig sein..." Und nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: "Aber wenn ICH mich immer nur im Moor und im Nebel aufhalten müsste, wäre ich das wahrscheinlich auch." Er grinste schelmisch und Max überlegte, ob er die Geschichte aus dem Moor nun glauben sollte oder nicht. Wenn noch nicht einmal die Kobolde die Moorgeister kannten...
Die beiden sahen sich ein kleines Weilchen schweigend an. Dann fragte Max: »Sag mal, hast DU dann da gerade mein Boot angebunden?« Er wies mit dem Finger darauf.
»DEIN Boot?«, prustete Hops los und hielt sich den Bauch vor Lachen.
»Was ist daran so lustig?«, wollte Max wissen.
»Bist neidisch auf mein schönes Boot, hm? Aber du passt da doch gar nicht drauf!« Der Kobold legte den Kopf schief und strahlte Max mit seinen blauen Augen an. Jetzt verstand er, was Hops meinte.
»Ich habe das Boot nur gebaut. Als ich es aber auf dem Wasser fahren ließ, hat sich ein Knoten gelöst und es ist davon getrieben.« 
Die Augen des Kobolds weiteten sich. 
»DUUU hast DIESES Boot gebaut?«
Max nickte langsam.
»Wow! Es ist... perfekt, weißt du?«, seine Augen hörten gar nicht mehr auf zu leuchten. »Schau mal, ich will dir was zeigen!«
Geschickt rutschte Hops von seinem Baumstumpf herunter und sprang mit ein paar Sätzen die Böschung hinab. Für Max wäre das gerade einmal ein Schritt gewesen, doch für den kleinen Kobold war es ein richtig großer Abhang. Im Nu hatte er das Boot losgeknotet und war aufgesprungen. Nun benutzte er es wie ein Surfbrett. Max hätte sich nie träumen lassen, dass es so wendig sein könnte und staunte. 
Hops stand darauf und glitt auf den Strömungswellen gekonnt hin und her. Dann zog er aus der kleinen Kajüte ein großes Blatt hervor, hielt es in den Wind und kreuzte gegen den Strom, bis er hinter einer Biegung verschwunden war. Max reckte seinen Hals. Doch schon im nächsten Augenblick kam das Boot wieder um die Kurve gefahren. Der kleine Kobold lag gemütlich auf dem Dach der Kajüte, ein Arm hinter dem Kopf und mit der anderen Hand bediente er das Paddel, das Max am Heck angebracht hatte. So kam er geschickt durch die Strömung. Hops grinste Max breit an. 
Es freute ihn riesig, zu sehen, welch große Freude er dem kleinen Kobold bereitet hatte. Vor ihm sprang Hops schnell vom Boot und hatte es im Nu wieder festgebunden.
»Das war toll, Hops! Ich bin echt beeindruckt, was für ein Künstler du auf dem Wasser bist.« Anerkennend nickte er ihm zu. Hops strahlte über das ganze Gesicht, so stolz war er.
»Darf ich es behalten?«, bat er und legte seine Hände flehend aneinander.
Max lächelte. »Unbedingt!« 
Hops hüpfte glücklich im Kreis und klatschte vor Freude dazu. Doch auf einmal wurde der Kobold ganz nachdenklich. »Ich möchte dir auch etwas schenken. Warte hier. Ich bin gleich wieder zurück.« In Windeseile sprang er durchs Gras davon. Max sah hier und da ein paar Büschel wackeln, dann war er weg.
Maximilian setzte sich, die Beine angewinkelt, wieder auf den Boden und lehnte sich am Eichenstamm an. Ein zufriedenes Lächeln lag auf seinen Lippen. Ob er Hanna und Arne holen und ihnen den kleinen Hops vorstellen sollte? Er warf einen Blick zu ihnen hinüber. Sie lagen noch immer faul auf der Decke. Nein. Er wollte zuerst seinen neuen Freund fragen. Vielleicht beim nächsten Mal.
Plötzlich raschelte es hinter ihm. Und bevor er sich wieder vollständig umgedreht hatte, war der Kobold schon an seinem Bein und kletterte daran hoch. Auf Max‘ Knien machte er es sich gemütlich und kramte etwas aus seiner Jacke hervor. Es war ein Ring aus Holz. Er war an der Außenseite mit aufwändigen Schnitzereien verziert. Hops hielt ihn Max hin.
»Den habe ICH selbst gemacht. Ich möchte, dass du ihn nimmst.«
Fasziniert drehte ihn Max in seinen Händen und versuchte schließlich, ihn an seinen Finger zu stecken. Doch er war viel zu klein. Traurig sah er Hops an, der nur mit den Schultern zuckte.
»Wer sagt denn, dass man Ringe nur am Finger tragen darf? Du hast doch eine Kette am Hals. Nimm ihn doch einfach als Anhänger.«
»Du hast Recht!«, freute sich Max, nahm seine Lederkette strahlend ab und steckte das Schmuckstück darauf. Als er das Band wieder anlegte, blickte ihn Hops durchdringend an. 
»Wenn dir wieder einmal jemand sagt, dass du etwas nicht kannst oder du sonstwie den Mut verlierst, dann nimm den Ring in die Hand und denke an mich. Der Ring schenkt dir Mut und Vertrauen. Lass dir von niemandem mehr einreden, dass du etwas nicht kannst. Denn das kann außer dir niemand anderes wissen. Du legst selbst deine Grenzen fest. Und du wirst merken, dass du sie selbst von Zeit zu Zeit weiter hinaus schieben kannst und mehr erreichst, als du anfangs gedacht hättest. Lass dir also niemals von anderen sagen, was du kannst und was nicht. Schließlich ist es auch wichtig, eigene Erfahrungen zu machen, wie etwas NICHT funktioniert. So kann man besser werden.«
Max starrte Hops entgeistert an. »Aber... woher weißt du...?«
Hops lächelte sanft. »Wir Kobolde können in andere Wesen... sagen wir mal... rein schauen. Wir sehen, wie sie sich fühlen. So können wir ihnen am besten helfen und das ist ja schließlich unsere Aufgabe. Bei dir sehe ich die großen Zweifel, die von anderen verursacht werden. Aber du brauchst nicht zu zweifeln. Wer etwas so Großartiges wie dieses Boot bauen kann, der kann noch viel mehr.« Er zwinkerte Max an. 
»Und ja, ich möchte sehr gerne deine Schwester und deinen Freund kennenlernen. Aber das muss bis zum nächsten Treffen warten. Ich muss jetzt los. Sonst komme ich zu spät zum Abendessen und das ist für uns Kobolde in Gesellschaft der Familie außerordentlich wichtig.«
Damit rutschte er von Max‘ Knie und winkte ihm zum Abschied. »Bis bald!«, rief ihm Max hinterher. Überglücklich griff er an seine Kette und rannte zu Hanna und Arne. Er freute sich schon auf das nächste Treffen. Und darauf, den beiden seinen kleinen großen Freund vorzustellen.
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