FREITAG, 13. SEPTEMBER, 15:37 UHR
Quietschend bewegte sich der Rollstuhl den langen, modrig riechenden Gang entlang. Thomas saß verkrampft auf dem abgewetzten Sitzpolster und sein Kopf wippte durch das schiefstehende Rad bei jeder Umdrehung nach rechts. Seine Augen jagten panikartig umher und seine Pupillen flatterten wie kleine Kolibris nervös hin und her. Er versuchte verzweifelt, sich zu erinnern, wie er hierher gekommen war. Und wo er überhaupt war. Doch seine Erinnerungen waren genau so löchrig wie die grauen, angerosteten Blechwände, an denen er gerade vorbeigeschoben wurde. Er versuchte, etwas zu sagen, doch durch das dicke, muffige Stoffknäuel in seinem Mund, das seine Zunge brutal nach hinten drückte, kam nur ein ersticktes Gurgeln über seine eingerissenen Lippen. Der Brechreiz, der durch den aufgestauten Speichel und den bitteren Geschmack der aufsteigenden Galle immer heftiger wurde, ließ ihn nicht einmal mehr husten. Panisch versuchte er, die abgestandene Luft durch seine blutverkrusteten, zu engen Nasenlöcher einzusaugen, was jedes Mal ein pfeifendes Geräusch erzeugte.
Der verdammte Anruf auf dem Handy, das nicht ihm gehörte. „Komm in das 2. UG. Jetzt gleich. Ich kenne Dein Geheimnis“. Einzelne Fragmente seiner Erinnerungen tanzten verschwommen vor seinem inneren Auge und setzten sich langsam zu einem vagen Bild zusammen. 
Er war in den Aufzug gestiegen, in dem nur ein kleiner Gitterwagen der Wäscherei stand. Hatte die Taste für das 2. UG mit seinem Schlüssel entriegelt und die Taste gedrückt. Dann das sanfte Klappern in seinem Rücken, nachdem sich die Aufzugtür geschlossen und sich die Kabine in Bewegung gesetzt hatte. Der Schatten, der hinter dem Gitterwagen hervorschnellte und ihm ein Tuch auf Mund und Nase presste, nachdem er ihm mit voller Wucht ins Gesicht geschlagen hatte. Der scharfe Geruch des durchtränkten Lappens. 
Dann traf ihn die schockierende Erkenntnis wie ein Schlag mit einem Vorschlaghammer. Er war nicht in der Hand eines Wahnsinnigen, eines der unberechenbaren Monster, die in dieser Einrichtung für schizophrene Triebtäter, Psychopathen und Geisteskranke frei herumliefen, weil irgendein bekloppter Arzt ihnen eine positive Perspektive bescheinigte und ihre erzwungenen Fesseln löste. Das wäre weiß Gott angenehmer gewesen.
Nein, er war in seiner Hand. In der Hand desjenigen, der sein Geheimnis kannte, der das Handy unter sein Bett gelegt und ihn damit hierher bestellt hatte. Das Foto schoss ihm in den Kopf wie eine Gewehrkugel. Zwei Gesichter mit einem schwarzen Kreuz übermalt, sein Kopf mehrfach eingekreist. Scheiße! Thomas zerrte an den Fesseln, die seine Hände an den Armlehnen des klapprigen Rollstuhls fixierten. Eine kalte Hand legte sich ihm auf die Schulter und eine eisige Stimme hinter ihm flüsterte „Halt einfach still.“ 
Ein paar Sekunden später hielten Sie vor einer massiven Stahltür, deren breiter Riegel sie fest mit der nackten Betonwand verband. „Oh Gott, was ist das hier?“, schoss es Thomas durch den Kopf, der dröhnte, als würde hinter seinen Augen ein Presslufthammer wüten und langsam Teile seines Schädelknochens abtragen. Eine Hand, die in einem festen Gummihandschuh steckte, schob sich an ihm vorbei und öffnete den Riegel. Das metallische Knirschen hallte durch den Gang und zerriss die dämpfige Stille. Dann drückte sein Peiniger die Tür auf und schob ihn in einen kleinen, düsteren Raum, der nur von einer an der Decke hängenden, nackten Glühbirne spärlich erleuchtet wurde. Es war gerade hell genug, dass Thomas einen alten Behandlungstisch mit Eisenringen und einen danebenstehenden Tropf, an dem ein durchsichtiger Schlauch baumelte, erkennen konnte. Keine Fenster. Keine Luken. Nur die massive Stahltür, die sich in diesem Moment mit einem lauten Schlag hinter ihnen schloss. (...)
Die vollständige Kurzgeschichte findet Ihr im Charity E-Book:
#Wir schreiben zuhause - 100 Quarantäne Kurzkrimis, das überall im Buchhandel erhältlich ist. (Abbildung auch unter Rubrik "Veröffentlichungen")
Back to Top